Vier Jahre nach Beginn der COVID-19-Pandemie hat sich die Arbeitswelt grundlegend verändert. Remote Work erlebte einen enormen Aufschwung, gefolgt von einem Rückgang, als Unternehmen ihre Mitarbeiter zurück ins Büro beorderten. Doch wie sieht es heute aus? Ist Remote Work auf dem absteigenden Ast oder ist es gekommen, um zu bleiben? Eine Analyse von 1 Million Stellenangeboten der letzten zwei Jahre über die Remote Work Trends 2024 liefert aufschlussreiche Erkenntnisse. Die Studie stammt von Revealera
Remote Work auf dem Vormarsch
Entgegen der landläufigen Meinung ist der Anteil von Remote-Stellenangeboten im letzten Jahr um 10% gestiegen, verglichen mit dem Vorjahr sogar um 31%. Besonders in börsennotierten Unternehmen ist der Anteil mit einem Plus von 45% gegenüber dem Vorjahr fast auf dem Allzeithoch von Anfang 2022. Bei Startups fiel der Anstieg mit 9,8% moderater aus.Zwar ist die absolute Zahl der Remote-Stellenangebote aufgrund von Entlassungen in der Tech-Branche zurückgegangen, doch der prozentuale Anteil steigt. Ein Grund dafür könnte sein, dass viele „Return to Office“-Initiativen abgeschlossen sind. Zudem versuchen Unternehmen in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, Kosten zu sparen – sowohl bei Immobilien als auch bei Gehältern. Remote Work ermöglicht es ihnen, Talente in Regionen mit niedrigeren Lebenshaltungskosten zu finden.Ohne eine weitere Pandemie wird es wohl keinen steilen Anstieg von Remote-Jobs mehr geben. Doch die Daten deuten darauf hin, dass wir uns in einer „neuen Normalität“ befinden und Remote Work langsam, aber stetig zunehmen wird.
Die gefragtesten Remote-Jobs
Account Executives, Softwareentwickler und Digital Marketer machen den Löwenanteil der Remote-Stellenangebote aus. Betrachtet man jedoch, welche Jobs am ehesten remote ausgeübt werden, führen technische Redakteure, Customer Success Spezialisten und Produktdesigner das Feld an.
Remote Work in Führungspositionen
Überraschenderweise sind 5,4% aller Stellenangebote für Führungskräfte in börsennotierten Unternehmen remote, während es bei Einzelbeitragenden nur 3% sind. Das mag kontraintuitiv erscheinen, da Führungsrollen oft viel Kommunikation erfordern, die von persönlichen Interaktionen profitiert. Doch es zeigt auch, wie viel Vertrauen Unternehmen in Remote-Mitarbeiter haben müssen.Remote-Jobs erfordern zudem mehr Erfahrung: Im Schnitt werden 5,3 Jahre Berufserfahrung vorausgesetzt, verglichen mit 4,3 Jahren bei Präsenzjobs. Einstiegsjobs haben mit 2,48% den geringsten Remote-Anteil, während es bei Senior-Positionen 5,35% sind.Hier spielen auch generationenbedingte Präferenzen eine Rolle: Die Gen Z schätzt die Vorteile des Büros wie Networking und Mentoring, während ältere Arbeitnehmer mit Familie das Remote-Arbeiten bevorzugen.
Branchenunterschiede bei Remote Work
Die Präferenz für Remote Work variiert je nach Branche und Beruf. Während 66% der Softwareentwickler einer Umfrage zufolge am liebsten 5 Tage die Woche remote arbeiten würden, bevorzugen nur 36% der Befragten aus der Finanz- und Investmentbranche dieses Modell. 27% von ihnen würden sogar nur 1-2 Tage pro Woche von zuhause aus arbeiten wollen.Diese Umfrageergebnisse unterstreichen die kulturellen Unterschiede zwischen der Tech- und der Finanzbranche. Auch bei der Rekrutierung ist die kulturelle Passung wichtig: Jemand mit viel Erfahrung in Tech-Unternehmen passt vielleicht nicht zu JPMorgan oder Goldman Sachs, wo Mitarbeiter nicht nur im Büro erwartet werden, sondern auch dort sein wollen.
Gehälter von Remote-Jobs
Entgegen mancher Studien, die behaupten, Remote-Mitarbeiter würden schlechter bezahlt, zeigt die Analyse: Die Gehälter von Remote-Jobs unterscheiden sich kaum von denen vergleichbarer Präsenzjobs, wenn man Berufserfahrung und Jobtitel berücksichtigt.Dazu wurden die 50 häufigsten Jobtitel in Remote-Stellenangeboten analysiert. Für jeden Titel wurde das durchschnittliche Mittel der Gehaltsspannen aller Remote-Jobs seit dem 1. Januar 2023 berechnet und mit dem Durchschnitt der Nicht-Remote-Jobs verglichen. Im Schnitt lagen die Gehälter für Präsenzjobs nur 0,6% höher als für Remote-Jobs – was im Rahmen der Fehlertoleranz liegt.Andere Studien vergleichen Äpfel mit Birnen, indem sie alle Remote-Jobs mit allen Präsenz-Jobs vergleichen, obwohl die Zusammensetzung unterschiedlich ist. Hier wurden Äpfel mit Äpfeln verglichen: Remote-Jobs und Präsenzjobs mit gleichem Titel und Erfahrung.Allerdings könnte es sein, dass Unternehmen mit Remote-Kultur generell besser bezahlen, weil es oft Tech-Unternehmen oder gehobene Firmen sind. Insofern wäre es sogar plausibel, wenn Remote-Jobs besser bezahlt würden.
Remote Work weltweit
Unter den Ländern mit mindestens 1000 Remote-Stellenangeboten im letzten Jahr führen die Ukraine, Brasilien und Polen die Liste an. Australien, Indien. Deutschland und Frankreich bilden das Schlusslicht. Im Vergleich zu einer Liste der besten Länder für Remote Work von Remote.com schafften es Spanien und Portugal in beide Top 5.Im Vergleich zu 2022 gab es die größten Zuwächse in Neuseeland, Portugal und Spanien, während Polen, Kanada und Italien die stärksten Rückgänge verzeichneten.
Warum hinkt die Bundesrepublik hinterher?
Während Länder wie die Ukraine, Brasilien und Polen bei Remote Work die Nase vorn haben, belegt Deutschland einen der hinteren Plätze im internationalen Vergleich. Nur Frankreich schneidet noch schlechter ab. Doch woran liegt das?
Ein Grund könnte die starke Präsenzkultur in deutschen Unternehmen sein. Viele Führungskräfte setzen nach wie vor auf persönliche Anwesenheit und face-to-face-Kommunikation. Home Office wird oft nur als Ausnahme oder Privileg gesehen, nicht als gleichwertige Alternative zur Arbeit im Büro.
Auch die Arbeitsgesetzgebung in Deutschland ist nicht optimal auf Remote Work ausgerichtet. Zwar gibt es seit 2021 ein Recht auf Home Office, doch Arbeitgeber können dies aus betrieblichen Gründen ablehnen. In anderen Ländern wie den Niederlanden oder Portugal haben Arbeitnehmer ein einklagbares Recht auf Home Office, sofern dem keine zwingenden Gründe entgegenstehen.
Ein weiterer Faktor könnte die vergleichsweise geringe Digitalisierung in Deutschland sein. Laut dem Digital Economy and Society Index (DESI) der EU-Kommission liegt Deutschland bei der Digitalisierung nur im Mittelfeld der EU-Staaten. Gerade für Remote Work ist aber eine gute digitale Infrastruktur und die Vertrautheit mit digitalen Tools unerlässlich.
Auch kulturelle Aspekte spielen womöglich eine Rolle. In Deutschland herrscht eine ausgeprägte Präsenzkultur, bei der Anwesenheit im Büro mit Fleiß und Leistung gleichgesetzt wird. Remote Work erfordert ein Umdenken und mehr Vertrauen in die Eigenverantwortung der Mitarbeiter.
Doch es gibt Hoffnung: Immer mehr deutsche Unternehmen erkennen die Vorteile von Remote Work, sei es bei der Mitarbeiterzufriedenheit, der Produktivität oder der Kostenersparnis. Gerade die jüngere Generation von Arbeitnehmern wünscht sich mehr Flexibilität und die Möglichkeit, von überall aus zu arbeiten.
Um im internationalen Wettbewerb um die besten Talente nicht ins Hintertreffen zu geraten, müssen deutsche Unternehmen umdenken und ihre Arbeitskultur an die Anforderungen der modernen Arbeitswelt anpassen. Dazu gehört auch, Remote Work nicht als Notlösung, sondern als vollwertige Alternative zur Präsenzarbeit zu sehen und entsprechend zu fördern.
Die Politik ist gefordert, die rechtlichen Rahmenbedingungen für Remote Work zu verbessern und die digitale Infrastruktur auszubauen. Nur so kann Deutschland den Anschluss an die Spitzenreiter im Remote Work finden und seine Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Zeitalter sichern.
Remote Work bleibt vorwiegend national
75% der Remote-Jobs von US-Unternehmen sind innerhalb der USA angesiedelt – ein Wert, der seit 2020 konstant geblieben ist. Gründe dafür könnten rechtliche Vorschriften, logistische Vereinfachungen und das Personalmanagement sein.Dieser Trend ist über alle Jobarten hinweg konsistent, ob Softwareentwicklung oder Kundenservice. Trotz Globalisierung gibt es bei Remote Work eine starke Tendenz, innerhalb der Landesgrenzen einzustellen.
Remote Work und Arbeitszufriedenheit
Unternehmen mit überwiegend Remote-Arbeitskultur erreichen auf Glassdoor eine durchschnittliche Bewertung von 3,8, verglichen mit 3,4 für den Durchschnitt aller Unternehmen. Das deutet auf einen starken Zusammenhang zwischen Remote Work und Arbeitszufriedenheit hin, auch wenn Korrelation nicht gleich Kausalität ist.Leider war es nicht möglich, Unternehmen mit Hybrid-Arbeitsmodell einfach herauszufiltern. Es wäre interessant gewesen zu sehen, ob reine Remote-Unternehmen besser abschneiden als Hybrid-Unternehmen.
Fazit
Die Daten zeigen: Remote Work ist alles andere als tot. Im Gegenteil, der Anteil von Remote-Jobs könnte in den nächsten Jahren sogar noch weiter steigen, wenn sich der Arbeitsmarkt wieder zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt. Führungskräfte arbeiten häufiger remote als Einzelbeitragende, und Remote-Jobs erfordern mehr Erfahrung. Die Gehälter unterscheiden sich kaum von Präsenzjobs, und US-Unternehmen stellen nach wie vor überwiegend im eigenen Land ein. Unternehmen mit Remote-Arbeitskultur schneiden bei der Arbeitszufriedenheit besser ab.Die Zukunft der Arbeit ist hybrid – mit einem wachsenden Anteil an Remote Work. Unternehmen, die sich darauf einstellen und eine entsprechende Kultur pflegen, werden im Wettbewerb um die besten Talente die Nase vorn haben. Doch auch die individuellen Präferenzen der Mitarbeiter spielen eine wichtige Rolle. Nicht jeder möchte 100% remote arbeiten. Die Herausforderung für Unternehmen wird sein, die richtige Balance zu finden und jedem Mitarbeiter das Arbeitsmodell zu bieten, in dem er am besten performt und sich am wohlsten fühlt. Nur so lässt sich langfristig eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung erreichen.